Strebt nach der Liebe!

Predigt zu 1Kor 14, 1-12

von Benjamin Meister

 

Komm, Heiliger Geist, mit deiner Kraft.

 

In diesem Lied klingt Pfingsten immer noch nach. Der Heilige Geist, der die Jüngerinnen und Jünger Jesu ergriffen und begeistert hat.

Der sie auf die Straßen trieb, so dass sie in Jerusalem vor Menschen aus aller Herren Länder die Auferstehung Jesu verkündeten.

 

Durch dieses Lied bitten wir auch heute noch um den Heiligen Geist. Und es beschreibt, was passiert wenn der Geist kommt, wenn er die Menschen mit seiner Kraft ergreift.

 

Die Dunkelheit wird erhellt, die Welt wird umgestaltet, Menschen können sich verstehen.

 

Auch Paulus schreibt in seinem Brief an die Korinther von den Auswirkungen des Geistes. Ganz konkret nimmt er zwei Gaben des Geistes in den Blick.

 

Die Zungenrede und die prophetische Rede.

 

Ich muss gestehen beide Gaben sind mir fremd. Kommen sie doch in unserem gemeindlichen Alltag so gut wie gar nicht vor. Oder?

 

Ist das wirklich so?

 

Werfen wir mal einen Blick auf die Gaben, und schauen was Paulus zu ihnen sagt.

 

Zunächst schreibt er, dass wir uns um die Gaben bemühen sollen. Und wenn Paulus das so sagt, dann wird klar, dass sie uns nicht einfach zufallen.

 

Komm, Heiliger Geist, mit deiner Kraft.

Dahinter steht ein Sehnen und ein ringen. Komm und begeistere uns wie die Jüngerinnen und Jünger einst.

 

Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet!

 

Diese Gabe scheint Paulus besonders am Herzen zu liegen. Doch was ist dieses prophetische Reden?

 

Der erster Gedanke bei diesem Ausdruck ist ja meist, dass es um die Zukunft geht. Propheten sagen die Zukunft voraus.

Das ist so aber nicht ganz richtig.

Prophetische Rede meint etwas ganz anderes.

 

Wer aber prophetisch redet, - so schreibt Paulus - der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung. […] wer […] prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde.

 

Eine Zukunft kommt in den Blick - aber kein fernes, konkretes Ereignis. Prophetische Rede zielt darauf ab, dass die Gemeinde erbaut wird, d.h. sich entwickelt, sich anpasst, dass sie beweglich und lebendig bleibt.

 

Dazu braucht sie Orientierung. Und all das schreibt Paulus der prophetischen Rede zu.

 

Und Menschen, die das können, die der Gemeinde oder auch der Gesellschaft Mahnung und Warnung, Trost und Orientierung geben, sie alle reden prophetisch.

Und jetzt wird auch deutlich, warum Paulus diese Gabe so wichtig ist. Denn wo diese Gabe nicht ist, da tritt man auf der Stelle, da ist die Richtung und das Ziel ungewiss, da fehlt es an Geist und Begeisterung.

 

Komm, Heiliger Geist, mit deiner Kraft.

Wie der Sturm so unaufhaltsam, / dring in unser Leben ein. / Nur wenn wir uns nicht verschließen, / können wir deine Kirche sein.

 

Neben der prophetischen Rede, schreibt Paulus noch von der Zungen rede.

 

Ich möchte jetzt nicht mutmaßen oder spekulieren, was Zungenrede ist. Ich halte mich lieber an das, was Paulus selber schreibt.

 

[…] wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; […] im Geist redet er Geheimnisse.

 

Paulus macht deutlich, dass Zungenrede kein sinnloses Gebrabbel und Gelalle ist.

Zungenrede ist für ihn eine Rede zu Gott. Es ist ein ganz besonderes, individuelles Gebet.

 

Und Paulus wünscht sich ganz viel davon in der Gemeinde. Er möchte das jeder und jede in der Gemeinde mit Gott in Kontakt steht. Dass wir eine Beziehung zu Gott haben und dass jeder und jede auf seine und ihre ganz eigene Weise mit Gott redet.

Gott schaut auf uns, und er versteht uns. Ein Seufzer, eine Kerze in Sorge entzündet, ein sehnsuchtvoller Blick zum Himmel, oder auch ein für andere Menschen unverständliches Gebrabbel - all das sind für Gott keine Geheimnisse.

Er weiß, was uns bewegt, was wir brauchen und was wir sagen wollen.

Er freut sich über jedes Bitten und Danken.

Ganz gleich welche Gestalt sie haben.

 

Und wenn ich jetzt all das zusammenfasse:

Trost, Beistand und Orientierungshilfe. Beten, Danken und Loben, in Beziehung sein zu Gott - das alles sind Dinge, die für eine Gemeinde grundlegend und von Bedeutung sind.

 

[…] strebt nach Gaben, die die Gemeinde aufbauen. Davon könnt ihr nicht genug haben.

 

Und wenn ich Paulus so lese und verstehe, dann wird mir klar, dass Zungenrede und prophetische Rede mir doch nicht so fremd sind, wie ich anfangs dachte.

 

Im Gegenteil, sie begegnen mir:

Im Austausch mit der Kollegin und den Kollegen, im Presbyterium, in Besprechungen und Vorbereitungstreffen, im Plausch zwischen Tür und Angel mit Gemeindemitgliedern.

 

Denn wenn eins deutlich geworden ist in den vergangenen Wochen und Monaten, dass sich sehr viele in der Gemeinde Gedanken machen. Da waren Mahnung und Warnung, Trost und ständig die Suche nach Wegen und Möglichkeiten. Da war Bewegung und trotz der Corona-Pause Leben in der Gemeinde.

An dieser Stelle könnte man meinen, dass die Sache erledigt sei.

Aber eines fehlt noch. Etwas ganz entscheidendes aus der Sicht des Paulus'.

 

Paulus sagt: Egal, was ihr macht oder wie ihr etwas macht => Strebt zuerst nach Liebe.

Was Liebe ist, dass hat Paulus bereits einen Abschnitt vorher in seinem Brief mitgeteilt. Liebe, so sagt er, ist geduldig, uneigennützig, gütig, sie lässt sich nicht erbitten, sie freut sich nicht über Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit.

Und die Liebe vermag noch etwas. Etwas das weder Zungenrede, noch prophetische Rede kann.

 

Es gibt vielerlei Sprachen in der Welt, und nichts ist ohne Sprache. Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich ein Fremder sein für den, der redet, und der redet, wird für mich ein Fremder sein.

 

Aber, es gibt eine Sprache, die jeder versteht:

Die Sprache der Liebe.

 

Komm, Heiliger Geist, mit deiner Kraft. Die uns verbindet und Frieden schafft.

Schenke uns von deiner Liebe, / die vertraut und die vergibt. / Alle sprechen eine Sprache, / wenn ein Mensch den andern liebt.

 

Ja, die Liebe soll eine Gemeinde auszeichnen, denn Gott ist die Liebe. Diese Liebe ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist.

Diese Liebe erträgt, sie erduldet alles und vor allem sie versteht.

Ich sage dies nicht, weil ich meine unserer Gemeinde fehle es an Liebe. Betrachtet es als prophetische Rede. Damit wir uns daran erinnern und Gottes Liebe wach und lebendig halten. Strebt nach der Liebe!

 

Das soll also unser Ziel sein: eine Gemeindearbeit und ein Leben, das von der Liebe von ihrer Offenheit, Uneigennützigkeit, von ihrer Güte und von ihrem Verstehen bestimmt und getragen ist.

Alle Gaben, die Gott uns schenkt, die in unserer Gemeinde vorhanden sind, sollen von dieser Liebe geprägt sein.

Strebt nach der Liebe!

Amen