Schaut hin!

Ohne Wasser gibt es kein Leben. Alle Lebewesen - sowohl Pflanzen und Tiere als auch Menschen - brauchen das Wasser um existieren zu können. Wenn Wasser fehlt, dann vertrocknet die Erde und bleibt unfruchtbar. Alle verspüren dann eins: Durst.

Je länger der Wassermangel dauert, desto quälender wird der Durst und desto lauter werden die Rufe nach Leben.

Im heutigen Predigttext spricht auch Jesus vom Durst, und spricht die Dürstenden direkt an. Dabei sorgt bereits die Situation, in der er redet, für eine Überraschung. Denn die Worte Jesu an die Dürstenden geschehen nicht mitten in der Wüste, sondern in Jerusalem im Rahmen eines Festes. Aber hört selbst:

Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht. (Joh 7, 37-39)

Jesus spricht an diesem Festtag zu allen, die Durst haben.

Er lädt sie ein: Alle die Durst haben: Kommt zu mir! Trinkt!

Wenn Jesus das so sagt, dann ist jetzt schon klar, dass es nicht um den Durst nach Wasser geht, sondern um einen ganz anderen Durst.

Es geht um die Sehnsucht, die die Menschen in ihrem Inneren bewegt. Um den Durst nach Gott und um den Durst nach Leben.

 

Durst nach dem Leben.

Was fehlt uns eigentlich alles? Die meisten von uns sind weder hungrig noch durstig. Und doch fehlt da was. Die Sehnsucht ist eine andere.

Corona hat vieles, was für uns selbstverständlich war, in Frage gestellt. Hat uns zum Umdenken herausgefordert und uns auch Grenzen gesetzt.

Und da ist er, der Durst, die Sehnsucht, wenn uns auffällt, was alles nicht mehr geht. Angefangen von dem Auslandsschuljahr, der Abiturparty, das Reisen in andere Länder, bis hin zu etwas einfachem wie einer Grillparty mit Nachbarn oder Freunden.

Unser Leben mit anderen Menschen ist von Masken und Abstand geprägt. Kleine und große Träume, die wir haben, mussten erst einmal verschoben werden.

So sehnen sich viele nach einem Alltag zurück, wie er vor Corona war, und müssen doch zugleich ihren Lebensdurst auf andere Art stillen.

Aber wie?

 

Jesus nimmt den Durst der Menschen nach Leben wahr und verspricht ihn zu stillen. Er sagt:

Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, […], Ströme lebendigen Wassers fließen.

Das Wasser, das Jesus schenkt, wird zu einer Quelle werden, aus der das Wasser des ewigen Lebens fließt.

Und obendrein sagt Jesus: Du wirst diese Quelle des ewigen Lebens sein. Glaub an Gott, und glaub an mich.

Jesus macht in seiner Rede deutlich, dass das lebendige Wasser ein Bild für den Geist ist. Es geht um die Geistkraft Jesu, um den Geist Gottes. Diesen können alle, die an Jesus glauben, empfangen.

D.h. du, ich, eigentlich jeder.

 

Gut, dass wir das geklärt haben! Und? Wie hilft uns das jetzt weiter?

 

Schon zu seiner Zeit mutete Jesus seinen Zuhörerinnen und Zuhörern eine ganze Menge zu. So auch hier.

Er fordert einen radikalen Perspektivenwechsel ein:

Dem Lebensdurstigen ruft er zu: Du bist die Lebensquelle.

Dieser Zuruf wird unser Leben nicht einfach schlagartig verändern. Aber er lädt uns ein andere Blickwinkel zu wagen.

Raus aus der Froschperspektive, um mal die Sache von oben oder auch von der Seite zu betrachten.

Anstatt nur auf das zu sehen, was im Alltag nicht mehr möglich ist, auf das zu blicken, was möglich ist. Die Veränderungen wahrzunehmen, die stattfinden oder bereits stattgefunden haben.

 

Schaut hin.

Neue Arbeitssituationen, wie Home-Office oder Zoom-Meetings. Vieles in unserer Gemeinde wäre in den letzten Monaten ohne Zoom nicht möglich gewesen. Besprechungen, Konfiarbeit, gemeinsamer Austausch.

 

Schaut hin.

Zusätzliche Zeit: Wir konnten uns endlich Dingen widmen, die sonst typischerweise liegen bleiben. Ob es darum geht, den Garten fit für den Frühling zu machen, Zimmer- oder Balkonpflanzen zu ziehen, oder die lang anstehende Renovierung zu starten - es gab Zeit dafür.

Auch endlich mal das Buch zu lesen, das schon ewig im Bücherregal steht, oder die Serien und Filme, auf die man sich schon lange gefreut hat, endlich sehen zu können.

Und auch dass es für viele oftmals sehr anstrengend war, so viel Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können, war und ist etwas besonderes.

Schaut hin.

Von Balkonkonzerten bis hin zu den unzähligen freiwilligen Helfern, in der Zeit, die hinter uns liegt, zeigte sich auch Solidarität. Zum Beispiel Hilfstätigkeiten unter Nachbarn, die gerade während einer Quarantäne unverzichtbar waren.

 

Alles eine Frage der Perspektive.

 

So ist auch der Glaube an Jesus - ein Perspektivwechsel. Für die Menschen seiner Zeit waren seine Worte, sein Handeln und Auftreten ein Perspektivwechsel zu den Zuständen ihrer Zeit.

Und auch uns machen seine Worte darauf aufmerksam, was jetzt in der Gegenwart wichtig ist und vor allem, was jetzt schon da ist.

 

Schaut hin - aufeinander.

Schaut hin - auf euch selbst.

Schaut hin - auf Gott.

Amen